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Wie kam es zu der Krise in der Türkei?

Die türkische Wirtschaft und die Währung des Landes sind in Schieflage geraten, die Schockwellen durch die globalen Kapitalmärkte sendet. Tine Choi, Chefstrategin bei Danske Bank, erläutert, was die Krise ausgelöst hat und was das für Anleger bedeutet.

„Die Amerikaner haben den Dollar, doch wir haben unseren Gott.“

Dieser Ausspruch stammt von dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan, als er unlängst versuchte, im türkischen Volk Optimismus zu verbreiten. Doch selbst den höheren Mächten steht eine schwierige Aufgabe bevor, da die Türkei in eine Schieflage geraten ist, die die türkische Lira in den freien Fall geschickt und negative Stimmung an den globalen Kapitalmärkten verbreitet hat.

Erdogan hat außerdem alle Türken dazu aufgefordert, Gold zu verkaufen und alle Dollarnoten, die sie zu Hause unter dem Kopfkissen gehortet haben, in türkische Lira zu wechseln, um die lokale Währung zu stützen. So schlimm ist die Lage!

Die Wurzel der Probleme
Die türkische Lira hat im letzten Jahr gegenüber dem US-Dollar etwa die Hälfte ihres Werts verloren und durchlebt in diesen Tagen enorme Schwankungen, nicht nur auf Tagesbasis, sondern stündlich. Die Türkei zählte in den vergangenen Jahren indes zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und verzeichnete 2017 ein Wachstum von 7,4 Prozent. Wie konnte es also soweit kommen? Das haben wir Danske Banks Chefstrategin Tine Choi gefragt.

„Es ist richtig, dass die Türkei ein beeindruckendes Wachstum verbucht hat. Aber das wurde von einer unhaltbaren Wirtschaftspolitik begleitet, die die Anleger nervös gemacht hat. Die Wirtschaft ist einfach überhitzt, angetrieben von einer expansiven Finanzpolitik und der Aufnahme von viel zu hohen Krediten im Ausland“, erklärt Tine Choi und fügt hinzu:

„Die Schulden der Türkei in ausländischen Devisen belaufen sich nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds auf über 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - und das ist hoch. Darüber hinaus wird es immer teurer, die Zinsen und Tilgungen der Schulden zu begleichen, je weiter der Kurs der türkischen Lira fällt. Das ist ein Teufelskreis.“

Erdogans Macht bringt Herausforderungen mit sich
Der fallende Wechselkurs hat eine galoppierende Inflation zur Folge, da die schwächere Lira den Import von Waren aus dem Ausland verteuert. Im Juli betrug die Inflation 16 Prozent, was weit über dem Inflationsziel der türkischen Zentralbank von 5 Prozent liegt.

Normalerweise nutzen Zentralbanken Zinserhöhungen als Werkzeug zur Eindämmung der Inflation, doch das kollidiert mit einer der anderen Ursachen für die Krise in der Türkei.

„Präsident Erdogan hat in der Türkei immer mehr Macht bekommen und umgibt sich nicht unbedingt mit den besten Wirtschaftsberatern. Anstelle von Mehmet Simsek, der von den Finanzmärkten respektiert wurde, hat er zum Beispiel seinen Schwiegersohn zum Finanzminister berufen. Was die Zentralbank anbelangt, darf sie ebenfalls nicht unabhängig arbeiten und eine Geldpolitik verfolgen, die die Anleger beruhigt. Erdogan hat zuvor erklärt, dass er niedrige Zinsen bevorzugt, um das Wachstum weiter anzukurbeln“, sagt Tine Choi.

Und als ob das noch nicht genug wäre, sind die Türken und die Amerikaner aneinander geraten, weil die Türkei den amerikanischen Pastor Andrew Brunson zurückhält. Gemäß den Türken soll er am misslungenen Militärputsch in der Türkei im Jahr 2016 beteiligt gewesen sein.
„Die Amerikaner fordern eine sofortige Freilassung, was die Türken ablehnen. Das ist in einen politischen Konflikt auf höchstem Niveau eskaliert. Donald Trump droht mit Sanktionen und Strafzöllen auf türkische Waren, wenn sich die Türken nicht fügen - und das ist bestimmt nicht das, was die Türkei momentan braucht“, erläutert Tine Choi.

Welche Möglichkeiten hat die Türkei?
Die Finanzmärkte warten auf den nächsten Schachzug von Erdogan. Doch welche Möglichkeiten haben die Türken, um möglichst unbeschadet aus der Krise zu kommen?

Zu den möglichen Maßnahmen zählen Kapitalrestriktionen, die die Geldströme in und aus der Türkei kontrollieren, und Zinserhöhungen durch die Zentralbank, die eine Anlage in die türkische Lira für Investoren attraktiver machen. Unlängst kündigte Katar ein Investitionspaket an, mit dem der ölreiche Golfstaat zur Unterstützung der türkischen Wirtschaft 15 Milliarden Dollar in die Türkei investieren will. Das könnte ein erster Schritt sein.

Die Türkei kann zudem den Internationalen Währungsfonds um finanzielle Hilfe bitten.

„Erdogan ist jedoch ein Alphatier, das ungern Zeichen von Schwäche zeigt. Es wäre ein harter Schlag für seinen Stolz, wenn er sich den Anforderungen einer restriktiven Wirtschaftspolitik beugen müsste, die mit den Finanzspritzen des Internationalen Währungsfonds üblicherweise einhergehen“, meint Tine Choi.

Folgen für die Finanzmärkte
Die Anleger sind allgemein besorgt, welche negativen Auswirkungen die türkische Krise auf andere Märkte haben kann.

In den vergangenen Wochen konnten wir beobachten, dass mehrere Schwellenländerwährungen unter Druck gerieten, vor allem in Ländern mit einem Zahlungsbilanzdefizit wie Indien und Südafrika. Darüber hinaus sind die Aktienkurse und die Zinsen in den USA, Deutschland und Dänemark gefallen, da die Anleger einen sicheren Hafen am Anleihenmarkt gesucht haben.

Sowohl der Dollar als auch der japanische Yen und der Schweizer Franken haben aufgewertet. Im Gegensatz dazu hat der Euro an Wert verloren, da die Krise in der Türkei für die europäische Wirtschaft eine größere Gefahr darstellt als für die japanische oder amerikanische Wirtschaft. Einige südeuropäische Banken können unter anderem für die Entwicklung anfälliger sein, da sie Kredite an die Türkei vergeben haben.

Keine Angst vor einem größeren Abschwung
Doch selbst wenn sich die Türken in einer schwierigen Situation befinden, deren Lösung noch aussteht, befürchtet Tine Choi angesichts der Krise in der Türkei keinen breit angelegten Abschwung.

„Isoliert betrachtet wird sich die Situation in der Türkei kaum zu einer größeren und tieferen Krise ausbreiten - weder für Europa noch für die Schwellenländer. Insgesamt ist die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von der Türkei begrenzt. Und was die übrigen Schwellenländer anbelangt, sind die fundamentalen Wirtschaftsbedingungen dort im Allgemeinen besser als in der Türkei“, sagt sie.

Laut Tine Choi fällt die Krise in der Türkei in eine Phase, in der die Anleger ohnehin nervös sind, unter anderem aufgrund des Handelskriegs von Donald Trump. Das erhöht das Risiko, dass selbst ein unbedeutenderes Ereignis irgendwann einen größeren Einbruch an den Finanzmärkten auslösen kann.

Trotz der aktuellen Unsicherheit ist die Weltwirtschaft jedoch weiterhin auf Wachstumskurs. Danske Bank behält deshalb ihre moderate Übergewichtung in Aktien bei, darunter eine Übergewichtung in Aktien aus Schwellenländern. Anleihen hat Danske Bank entsprechend untergewichtet.

Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte kontaktieren Sie stets einen Finanzberater, wenn Sie eine Investition in Erwägung ziehen, und klären Sie ab, ob eine bestimmte Anlage zu Ihrem Anlageprofil passt.
 

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